Der ganz normale Wahnsinn –
oder so wird der Käse zum Bahnhof gerollt

Erlebnisbericht etwa aus dem Jahre 2000

Da klingen noch unheilschwanger die Worte meines Chefs in meinen Ohren "Und Sie fassen jetzt alle Formeln zusammen, die Ihre Kollegen in den Memos stehen haben...". "Sie wissen doch, aus Kompatibilitätsgründen müssen wir Word verwenden. Stellen Sie sich doch vor, dass wir noch Dokumente von anderen Abteilungen bekommen, wie wollen Sie die denn hineinbringen?".

Sei's drum, so schlimm wird es ja nicht werden . Mit Strg-C Strg-V die Formeln aus den anderen Dokumenten geholt, da hat man dann schon bis zum Mittag ein paar Seiten zusammen.
Beim Anklicken der Formel wieder das aufdringliche Fenster: Nein, verdammt nochmal, ich möchte nicht mehr über Mathtype erfahren! Ich muss arbeiten! Nanu - "Speichen wird verzögert"-Was soll dies denn? Typische Microsoft-Meldung, mit der man nichts anfangen kann. Jetzt vor dem Essen kurz noch speichern. Sch.... "Festplatte voll oder zu viele Dateien offen". Mist. Das war eben die Verzögerung des Speicherns. Löse ich nach dem Essen.

Nun wieder frisch ans Werk. Naja, 3GB auf der Platte sollten selbst für Word genug sein. Grund 1 kann es somit nicht sein. Aber speichern tut's trotzdem nicht. Mal einen anderen Dokumentennamen versuchen- auch nicht. Hotline angerufen. "Von diesem Fehler haben wir noch nie gehört" – Kann doch gar nicht sein, denn nur die Linux-Hotlines wurden doch so schlecht von der C't getestet. :-))

Also - Alles markieren, in ein neues Dokument kopieren, dieses speichern und das alte Dokument verwerfen. Ein paar Formeln hat's erwischt, sie sind noch als Grafik vorhanden, aber im Großen und Ganzen bin ich noch recht glimpflich davongekommen. Weiter. Muss halt häufiger speichern. Hilfe. Schon wieder "Speichern wird verzögert" - nur schnell raus! Geht wieder nicht. Jetzt will ich's aber wissen. Aha. Unter c:/tmp liegen 270 .tmp-Dateien, die sind von heute. Prima. Habe ja gerade noch gespeichert. Und ohne Sichern heraus. Das alte Dateisystem kriegt eben ab 2 hoch 8 Probleme. Wie kann man so etwas verkaufen?

Zunächst einmal tränen mir die Augen. Die Menüpunkte dieses Mathtype sind so klein, dass man mit der Nasenspitze am Bildschirm kleben muss. Auf jeden Fall sehe ich nicht mehr viel. "Stell doch einfach die Bildschirmauflösung runter" schlägt ein Kollege vor. Mir fällt auch nichts besseres ein. Die 1024x786 werden's ja auch tun. In einer großen Firma wird eben Flexibilität verlangt. Wie hieß das blöde Mathesatzprogramm gleich - Mathtype- für irgendwas war das Werbefenster dann doch gut - wie heißt es so schön: "Immer positiv denken!". Ich bin ja sicher nicht der einzige, dem das mit dem Speicherproblem widerfährt. www.mathtype.com – support – Ah, da ist es ja schon. 2 Lösungen gleich. Eine von Mathtype und eine von Microsoft. Jetzt bin ich doch neugierig, wie Mathtype arbeitet. Ich klicke auf eine Formel, und 3 Dateien werden neu angelegt. Wieder schließen. Warum bleiben die denn da? Ich habe doch nichts geändert. Jetzt Formel öffnen, etwas ändern und wieder schließen - 5 neue Dateien. Datei speichern - die Dateien werden aber nicht geschlossen. Also muss ich alle 15 Minuten Word komplett schließen. Die Lösung! Das ist moderne Textverarbeitung. Wie schön, dass Billy die Sache selbst wieder in die Hand nehmen will!

Mal kurz das Inhaltsverzeichnis einfügen. In TeX heißt das „\tableofcontents“. Wie kommen jetzt die blöde Formeln als Überschrift ins Inhaltsverzeichnis? Muss ich mir wohl aus einem anderen Dokument hineinkopiert haben. Also alles markieren und dann Standard-Nein-Hilfe!!!, nur schnell rückgängig, das geht ja gar nicht. Also die 20 Seiten Zeile für Zeile durchscrollen und dann alles einzeln auf „Standard“ setzen. Geht eigentlich recht flott. Jetzt noch nach vorn und das Inhaltsverzeichnis. Schrei! "Speicherabbildungsdatei wird erstellt" Sch.... Jetzt ist die ganze Umformatiererei weg. Und das zweimal innerhalb einer halben Stunde. Naja, ich krieg's ja bezahlt. Wenn die Firma so etwas kauft, muss sie eben auch die Folgekosten tragen. Achso, ich hätte beinahe vergessen, die 190 Scratch-Dateien unter tmp zu löschen, die nach dem crash natürlich noch da sind, und dann geht's weiter. Man kennt sich ja schließlich zwangsläufig aus, wenn man von Systemen umgeben ist, die alle nicht funktionieren . Noch eine Tafel Schokolade-das soll die Nerven beruhigen.

Was steht jetzt in der Formel? Hmm. Das muss ja überall xi und nicht zeta heißen. Da haben sich die Kollegen nicht einigen können und ich darf's ausbaden. Geht das jetzt: Eine Globalersetzung in den Formeln von Mathtype? Soweit ich sehe, nicht. Wäre das jetzt in TeX so schön: :%s/\\xi/\\zeta/gc wäre das Kommando in meinem vim. Zu den griechischen Symbolen in den Formeln kann man auch nicht springen. Aber so: Alles ausdrucken, anstreichen und dann die Formeln einzeln ändern. Sozusagen das „papierlose Büro“. Hat auch nur 15 Minuten gedauert. Gegen vielleicht 1 Minute. Mist. Jetzt habe ich vor lauter Ersetzen wieder nicht dran gedacht, zu speichern. Aber ich habe ja meine Rezepte: Alles markieren, dann F9 und dann sollte es doch gehen. Pah! Sollte. Dann versuchen wir die M$-Lösung als Speicherung als RTF. Hmm. "Nicht genug Speicher!" Aha. 64 MB reichen nicht. Wieder mal von vorn. Die Kompatibilität lässt grüßen...

Übrigens habe ich gehört:
Das mit den Menüs von Mathtype, die unlesbar sind, weil zu klein ist im Jahre 2015(!) noch nicht abgestellt.

Zurück zum Index